Begräbnis

Wie bei allen anderen Anlässen im chinesischen Lebenskalender, muss auch beim Tod alles seine richtige Ordnung haben. Pietätvolle Kinder schenkten den Eltern früher zum 59. Geburtstag vorsorglich den Sarg und die Totenkleider, damit jene dem unausbleiblichen Ereignis gut ausgerüstet entgegensehen konnten. Während dieser Brauch wohl weitgehend abgekommen ist, haben die konfuzianischen Vorstellungen von der Bedeutung der Totenriten ihre Gültigkeit behalten. Von den „24 Fällen kindlicher Pietät“ sind drei der Verehrung verstorbener Eltern gewidmet. Sie erzählen – mit begleitenden Bildern – vom Sohn, der seine Mutter, welche sich im Leben vor dem Donner gefürchtet hatte, noch an ihrem Grabe bei Gewittern trötete; vom Sohn, der zur Verehrung seiner früh verstorbenen Eltern von ihnen hölzerne Bildnisse schnitzte und seine Frau, die dagegen frevelte, verstieß; vom Sohn, der sich selbst verkaufte, um seinem Vater ein anständiges Begräbnis zu sichern. Auch heute wiederum stürzen sich Familien in Schulden, wenn sie einen Elternteil zu begraben haben.

Einer Überlieferung nach findet sich die Seel nach dem Tode bei der Mutter Wang ein, einer alten frau in blauem Kleide, welche im Haar eine Granatapfelblüte trägt – wohl ein erster Hinweis auf die Wiedergeburt und den Zusammenhang von Tod und Leben. Mit einem langen Löffel reicht sie der Seele Zuckerwasser, welches „Mi Hun Tang“, das heißt „Suppe, welche die Seelenverwirrt“, genannt wird. Damit wird die Erinnerung an das frühere Leben ausgelöscht. Manchmal lässt Wang Mama eine Seele irrtümlich aus. Dieser Mensch ist dann in seinem nächsten Leben besonders klug, weil er auf frühere Erfahrungen zurückgreifen kann. War jemand überschlau, so sagte man früher spöttisch: „Er hat die Mi Hun Tang nicht getrunken.“

Auf die Wiedergeburt weist auch die alte chinesische Sitte hin, den Kindern innerhalb des ersten Jahres nach er Geburt „die Beine zu lösen“. Oft werden heute noch den Verstorbenen vor der Bestattung die Beine zusammengebunden, um ihre Rückkunft als geisternder „Wiedergänger“ zu vermeiden. Wenn sie aber auf propere Weise wie etwa durch die das „Einhorn“ reitende Guanyin wieder auf die Welt gekommen sind, dann braucht es die Vorkehrungen gegen das Geistern nicht mehr. Die Mutter oder ein Verwandter fährt mit einem Messer, einer Schwere oder einem Hackebeil zwischen den Beinen hindurch, um die Fesseln zu beseitigen.

Begräbnisse auf dem Lande dauern in der Regel immer noch vom Morgen bis zum Abend. Trauerfarbe ist immer noch weiß. Bei einem in hohem gesegneten Alter Verschiedenen kann aber auch rot verwendet werden. Nachdem der Sarg in der Ehrenhalle des Gehöftes aufgebahrt worden und die Verwandten und Freunde nacheinander Kotaus gemacht und Weihrauch geopfert haben, wird der Sarg zu jenem Begräbnisplatz gebracht, der vom Geomanten ausgesucht worden ist. Das reichlich verstreute Papiergeld soll dem Toten im Jenseits weiterhelfen.

Auf dem Sarg hängen seidene Banner, welche eine Widmung an den Verschiedenen und den Namen des Spenders tragen. Sie gehören mit Opferpapier und aus Papier nachgebildeten Silberbarren zu den sogenannten „großen Geschenken“. Die „kleinen Geschenke“ bestehen aus neun Bündeln langer Räucherkerzen, zwei Bündeln Opferpapier, zwei weißen Wachskerzen und einem Packen papierener Silberbarren. Weitere Liebesgaben für den Toten sind Papierkränze mit Widmungsschleifen sowie Papiermodelle von Menschen, Vieh und Gebrauchsgegenständen, welche im Leichenzug mitgetragen werden.

Mit dem Begräbnis sind die Trauerfeierlichkeiten allerdings nicht zu Ende. Am letzten Tag der ersten, dritten, fünften und siebenten Siebentagesperiode nach dem Sterbetag wird geopfert. Jeden siebenten Tag passiert die Seel eine der Hallen der Unterwelt. Am sechzigsten Tag überschreitet sie den chinesischen „Styx“. An jenem Tag wird daher ein Papierschiff mit zwei Brücken und Opfergaben verbrannt. Am hundertsten Tag hat die Seele ihr Ziel erreicht. Nun legen auch die nächsten Verwandten die weiße Trauerkleidung ab.