Das Fest von Hirte und Weberin

Im Fortgang des Jahres ist der 7. des 7. Mondmonats insbesondere ein Tag für die Mädchen. In alten Zeiten war die Geschicklichkeit der Mädchen im Nähen und Sticken ein wichtiger Faktor für die spätere Eheschließung und ist es noch heute bei manchen ethnischen Minderheiten Chinas. Mit dem Nadelorakel kann ein Mädchen an diesem Tag feststellen, ob es die nötigen Fertigkeiten erlangen wird. Es legt eine Nadel auf das Wasser einer von der Sonne beschienenen Schale und beobachtet dann den Schatten auf dem Boden des Gefäßes. Ist er dick, so ist Hopfen und Malz verloren, bleibt er dünn, dann kann man hoffen.

Noch größere Bedeutung hat der 7.7. für verliebte junge Leute. Es geht um die Geschichte vom Hirten und der Weberin, die ein bisschen der des gestiefelten Katers ähnelt. Bloß, dass es ein Büffel und kein Kater ist und die Geschichte auch kein wirkliches Happy End hat. Die Summe der verschiedenen Versionen des Hergangs sagt, dass der Hirte bei der Teilung der Erbschaft von seinen Brüdern übers Ohr gehauen wurde und ihm bloß – statt des Katers bei Grimm – ein treuer Büffel übrig blieb. Doch der wusste für seinen Herren Rat und trug ihm auf, sich bei einem See zu verstecken, wo die himmlischen Feen zu Baden pflegten. Er brachte ein schönes rotes Gewand an sich. Es gehörte dem himmlischen Webermädchen. Ohne Kleid konnte sie nicht wieder in den Himmel fliegen und da der Hirte sie nackt gesehen hatte, willigte sie in eine Eheschließung ein. Sie bekamen zwei Kinder und lebten glücklich und zufrieden. Das Glück war derart übermäßig groß, dass sich die Himmlische Weberin nicht mehr um ihren Webstuhl kümmerte. Das erzürnte die höchste daoistische Göttin Xiwangmu, die Königinmutter des Westens, und die säumige Weberin wurde in den Himmel zurückbeordert. Wieder wusste der Büffel Rat und opferte sein Leben, damit sein Herr getarnt durch die Büffelhaut seiner geliebten Frau in den Himmel folgen konnte. Doch als er dort ankam durchschaute Xiwangmu seine Verkleidung und schuf mit einem Strich ihrer Haarnadel zur Trennung der beiden Liebenden die Milchstraße. Hirte und Weberin wurden dies- und jenseits der Milchstraße als Sternbilderfixiert (Aquila und Lyra). Vom Weinen und Klagen der beiden gerührt verfügte schließlich der Jadekaiser, dass sich beide jedes Jahr am 7.7. auf einer durch die Elstern über die Milchstraße gebildeten Brücke treffen dürfen.

Auf den Märkten wurden an diesem Tag die tönernen Mohele, Formen des ältesten Spielzeugs, feilgeboten. Es handelt sich dabei um Figuren von Göttern, Menschen und Tieren. Zur Kaiserzeit wurden in den Wohnhöfen der Aristokraten, Minister und reichen Privatleute Bretterbuden errichtet, wo Bildnisse, welche die Begegnung von Hirte und Weberin zeigen, aufgehängt und ihnen Opfergaben angeboten wurden. Gleichzeitig wurde eine Art Mädchenfest abgehalten, wobei es um einen Wettbewerb im Anfertigen von Handarbeiten ging und die Besten Preise erhielten. Mädchen und Knaben verneigten sich gegen die Milchstraße. Noch heute meint man, dass elternlose Mädchen, die sich in dieser Nacht hinter Weinstöcken verstecken, Hirte und Weberin weinen hören können.

Der Opfertisch für die Weberin enthielt Tonfiguren, Wassermelonen, Kuchen und weibliche Toilettegegenstände. Blumen, Puderquasten und Schminktöpfe wurden aufs Dach geworfen und die Kuchen unter die Kinder verteilt. Theater- Puppen- und Schattenspieltruppen führten und führen an diesem Tag Stücke mit der Geschichte der beiden unglücklichen Liebenden auf.

Trotz der Kulturrevolution im übrigen China wurden diese Traditionen in Hong Kong weitergeführt. Die unverheirateten Mädchen hoffen durch die Gunst der beiden Sternengottheiten zu guten Ehepartnern zu kommen und lassen sich daher bei den Opfergaben nicht lumpen. Die Gaben bestehen meistens aus aufwendig gemachten Tellern aus Papier und Karton, welche in der Mitte ein Bild von Hirte und Weberin zeigen. Im Hintergrund sieht man die 6 Schwestern der Weberin. Am Rand des Tellers sind verschiedene Toiletteartikel für die Weberin und ihre Schwestern aufgereiht wie 7 Kämme, 7 Spiegel, 7 Puderquasten und ausreichender Papierblumenschmuck für die Haare. Als Konzession an die zeit befinden sich unter den Opfergaben neuerdings auch Armbanduhren aus Plastik, Mobiltelefone, Lippenstifte, Sonnenbrillen und sogar Kreditkarten. Dazu kommen noch Papierkleider und andere Geschenke. Da dies alles nicht billig ist tun sich oft Schwestern oder Freundinnen zusammen, um diese Artikel gemeinsam zu erstehen. In Hongkong steht noch immer der Tempel der sieben Schwestern, wo am 7. Juli der Weberin und ihren sechs Schwestern geopfert wird.

In Festlandchina war dieser Brauch wie viele andere, die von linksextremen Eiferern verfolgt wurden, während der Kulturrevolution unterdrückt. Seit etwa dem Beginn des 21. Jahrhunderts ist aber zu beobachten, dass im Zeichen der neuen Liebesromantik sich Hirte und Weberin bei den chinesischen Jugendlichen wieder größerer Beliebtheit erfreuen, ein Umstand, der auch in den Berichten der chinesischen Medien seinen Niederschlag findet.